Sascha Büttner: Systeme ästhetischer und
(Massen-)Produktion
von Anne Rohrmaier
Seit Sascha Büttner 1997 den Schwerpunkt seiner künstlerischen Arbeit, die er 1985
begann, verlagert hat, setzt er sich mit der Funktion des Kunstwerks innerhalb des
Gesellschaftssystems auseinander. "Wenn man Kunst verstehen will", so Büttner,
"sollte man, so scheint mir, bei der Situation beginnen, in der man ihr tatsächlich
begegnet." Zu diesem Zweck hat der Künstler eine Serie verschiedener Arbeiten
entwickelt, deren Abhängigkeit von bestimmten vom Künstler geschaffenen Systemen ein
Licht auf den Status der Kunst in der zeitgenössischen Kultur wirft. Obwohl Mittel und
Emphase zwangsläufig von Serie zu Serie variieren, lenken Arbeiten wie
"Affirmation", "Naht", "Kupfer" und "Körper" -
entstanden in den neunziger Jahren - die Aufmerksamkeit auf den Stellenwert der Kunst als
in der Gesellschaft ökonomisch und psychologisch und nicht nur rein physisch präsent.
Eine kleine viereckige Arbeit ("Affirmation", 1991, 17 x 21 cm) aus Holz mit
vielen Schichten Bitumen markiert den Punkt, an dem Büttner sich von seiner früheren
Malerei verabschiedet und sich einem neuen Themenkreis zuwendet. Diese überleitende
Arbeit unterscheidet sich von den vorhergehenden durch die einfache Darstellung ihrer
gemalten Fläche als primäres und singuläres Faktum. Obwohl keine zwei Arbeiten je
identisch sind, repräsentiert jede "Affirmation" das gleiche selbstbezügliche
Image eines typischen Gemäldes und liefert damit das, worauf Büttner von Anbeginn an mit
dieser Serie abzielt: "ein universelles Zeichen für ein Gemälde". Weiterhin
sagt er dazu: "Jede erdenkliche Beschreibung eines Gemäldes zur Definition seines
Wesens oder seiner Gesetzmäßigkeiten könnte immer auch zur Definition eines anderen,
ähnlichen Objekts dienen, das kein Gemälde ist - bis auf eine Ausnahme: Ein
Gemälde besitzt immer die Identität eines Gemäldes; ein Gemälde ist, was es
ist, weil das eine Konvention ist."
Es existiert, eben weil die Kultur einen Platz dafür schafft. Als Definition wäre das
natürlich so, als würde man sagen: Ein Gemälde ist etwas, das sich häufig über
der Couch befindet, und es war eben genau diese nüchterne Definition, die mir in
dieser ganzen formalistischen Debatte fehlte. Die Gesetzmäßigkeiten der
Malerei sind Gesetzmäßigkeiten der Welt schlechthin! Ein Kunstwerk steht in Zusammenhang
mit jedem anderen Objekt oder Ereignis innerhalb des Kultursystems, und die Bedeutung
eines Kunstwerks liegt vor allem in der Rolle, die es in der Kultur spielt".
Da ihr eigentlicher Gehalt in der Darstellung ihrer selbst liegt, erweisen sich die
"Affirmationen" als Gemälde im verallgemeinerten Sinn. Als solche lassen sie
sich betrachten in Relation zu dem Wie der Auffassung vom Gemälde - im Gegensatz
zu dem, was es darstellt - innerhalb des derzeitigen kulturellen Kontextes.
Die "Affirmationen" lassen sich einzeln hängen oder in kleinen oder größeren
Gruppen, je nach der Situation, wie sie sich aus den jeweiligen Gepflogenheiten der
Hängung in privater Umgebung, im Museum oder in einer Einzelausstellung ergibt.
Indem er die künstlerische Produktion in die unmittelbare Nähe der industriellen
Produktion rückt, sucht Sascha Büttner mit seiner Arbeit die restriktiven Barrieren zu
überwinden, die eine größere Zugänglichkeit der Kunst tendenziell verhindern. Im
Unterschied zu anderen Künstlern, die sich mit dem Verhältnis von Kunst und industriell
erzeugten, nichtkünstlerischen oder kommerziellen Gegenständen des täglichen Gebrauchs
befassen, geht es Büttner um grundsätzliche Überlegungen hinsichtlich der Einmaligkeit
als selbstverständlicher Voraussetzung der Kunst, sei es, daß es sich bei dem Werk um
das Pissoirbecken von Duchamp oder um Andy Wahrhols "Campbell soup cans"
handelt. Durch die enge Verbindung des einmaligen und kostbaren Objekts mit dem
allgegenwärtigen und gewöhnlichen Objekt stellt er die unausgesprochene Fähigkeit der
Kunst heraus, als Objekt der Begierde zu fungieren, das sich, historisch betrachtet, immer
in den Händen einiger weniger befand. Sämtliche Arbeiten von Büttner hinterfragen im
weitgefaßten gesellschaftlichen Rahmen ihre eigene Rolle als Objekte, deren ökonomischer
und psychologischer Stellenwert in der Kultur in der Regel verschwiegen oder zumindest
nicht offen dargelegt wird.
Büttner trachtet mit seinem utopisch motivierten Werk danach, die von Geschichte und
Kultur diktierten Voraussetzungen für die Einmaligkeit zu eliminieren, die einen
künstlichen Beitrag zum Wert eines Kunstobjekts leisten. Büttners Arbeiten fungieren als
Kunst wie auch als auf sich selbst verweisende Zeichen für Kunst und stellen ihre
Eigenart als Objekte reiner Begierde in den Vordergrund, ohne Festlegung definitiver
referentieller Grenzen.
Chicago, Februar 1993