Michael Löbe
Sascha Büttner
"Gute Malerei"
Stuttgart
Gemessen an ihrer Leere und visuellen Kargheit, hat die radikale Malerei eine
Fülle unterschiedlicher Diskurse ausgelöst oder begleitet, und zwar nicht, weil diese
Malerei durch die Selbstbeschränkung auf eine Farbe oder eine Farbstruktur offen sei für
jede Art beliebiger Interpretation. Im Gegenteil: Gerade die Reduktion auf wenige
Konstituenten wie Malgrund, Farbe, Richtung oder Intensität des Auftrags macht es
erforderlich, genau zu analysieren, wie und zu welchem Ziel sie zusammengehen,
zusammenwirken. Das belegen etwa so geläufige, aber gegensätzliche Beispiele wie die
monumentalen Querformate eines Barnett Newman, die ungegenständlichen Malereien eines
Mark Rothko oder die stark pigmentbetonten, gleichsam "stumpfen" schwarzen
Bilder eines Günther Umberg. Alle Arbeiten definieren ein bestimmtes Verhältnis zum
Betrachter: Rothko lädt ein zu meditativem Sich-Einlassen, Sich-Verlieren, Newman
provoziert Erhabenheit als ambivalenten Zustand zwischen abgestoßen und angezogen werden,
und bei Umberg ist das Bild prinzipiell intensionslos, eine objektive Einheit, die auf
keinerlei emphatische, metaphysische oder behaviouristische Wirkung hin konzipiert,
sondern allein Gegenstand ist, den jemand zum Anlaß nehmen kann, sich mit sich und der
Welt distinkt auseinanderzusetzen.
Ob Rothko, Newman oder Umberg: immer handelt es sich hier um klare
Subjekt-Objekt-Beziehungen. In seiner Stuttgarter Ausstellung hat jetzt Sascha Büttner -
wie schon früher, etwa im Kunstverein - diese Relation im doppelten Wortsinn aufgehoben:
Sie besteht zwar weiter in der direkten Auseinandersetzung mit der je einzelnen Arbeit,
und sie ist zugleich außer kraft gesetzt, weil die Anordnung der elf Tafeln selbst wieder
als Einheit zu verstehen ist.
Durch die Art der Gliederung spiegelt die Ausstellung gewissermaßen die Grundbedingungen
der Malerei von Sascha Büttner wider, die unter drei Gesichtspunkten zu betrachten bzw.
in einem Spannungsfeld angesiedelt ist, das sich aus dem Objektcharakter der Bilder, aus
dem Modus ihrer Herstellung und aus einem letztlich nicht planbaren intuitiven Moment
konstituiert. Wie viele Werke der radikalen, essentiellen, reflexiven oder konkreten
Malerei (die Begriffe überschneiden sich, sind aber nicht deckungsgleich) sind auch die
Arbeiten von Sascha Büttner weniger als Bilder im Sinne zweidimensionaler visueller
Repräsentation denn als Objekte zu sehen, als Bitumenstücke an der Wand. Die
überstehenden, rauh und rissig ausgetrockneten Ränder der Bildflächen lassen an einen
raschen, mechanisch ausgeführten Anstrich denken, mit dem irgendein Ding überzogen
wurde.
Hier wird denn also Handschrift sichtbar, obschon es Büttner fernliegt, Malerei auch nur
ansatzweise als Mittel individuell-expressiven Ausdrucks zu benutzen. Andererseits strebt
er auch nicht nach vollständiger Neutralität oder konkreter Objektivität. Hier, in der
Spannung zwischen der auch für den Minimalismus oder die Pop Art wesentlichen
Zurücknahme der eigenen Autorenschaft, der unmittelbar sinnlichen Materialität dieser
Malerei und dem Moment der letzten persönlichen Entscheidung über das Ende und Gelingen
des Malprozesses liegt die Bedeutung der Arbeit Büttners.