Pressemitteilung
Wiesbaden, 05.10.1997
Jagd auf 3. Oktober
Sehr geehrte Damen und Herren,
am 3. Oktober 1997 um 21.00 Uhr öffnete "das Laboratorium" für alle, die etwas
tun oder machen oder zuschauen wollen, in der Räucherkammer im Schlachthof Wiesbaden die
Tore.
Das Motto des Abends lautete: Jagd auf 3. Oktober.
Dem Kurier vom 4. Oktober 1997 mußten wir nun entnehmen, daß mit der
Veranstaltung explizit linksextreme Personengruppen eingeladen werden sollten. Es spricht
für sich, daß nach Ansicht des Kuriers anscheinend nur Linksextremisten dazu befähigt
sind, sich mit der jüngeren deutschen Geschichte zu befassen und dem nationalistischen
Einheitsgeschrei etwas entgegenzusetzen. Dabei bemerkt selbst die Rundschau zu den
Feierlichkeiten zum 3. Oktober kritisch: ..."Es ist ein nationales Fest, das, so wird
arglos versichert, nicht stattfände ohne die Knete vom Werbung treibenden Kapital. Ein
Alarmzeichen, daß dergleichen nicht einmal mehr als Problem empfunden wird."
(Rundschau vom 4.10.1997, S. 3)
Es bekommt einer kritischen Kulturarbeit nicht sonderlich, wenn sich die lokale Presse
dazu aufschwingt, moralische Instanz zu sein, indem sie nach dem Motto verfährt: Wer hat
Angst vorm schwarzen Mann?! Unter diesen Umständen können wir nur beteuern, daß wir auf
jeden Fall nicht einen Linksextremisten, nicht eine Linksextremistin ausgeladen hätten.
Hätte die Autorin des Artikels die Veranstaltung besucht, hätte sie erleben können, wie
intensiv das Bedürfnis der Leute nach Alternativen zu den herrschenden
Einheitsfeierlichkeitenfeiern ist.
Eine Wiederholung der Veranstaltung zwingt sich förmlich auf.
Wenn dadurch "im KuK kaputtgemacht (wird), was mühsam aufgebaut wurde", so
empfinden wir das als einen Schlag in die Gesichter all derer, die sich seit Jahr und Tag
um den Schlachthof bemühen und all der vielen Besucher und Besucherinnen, wird ihnen doch
absolute Indifferenz unterstellt.
"Das Laboratorium", organisiert von einer Veranstaltungsgruppe in der das
Atelier Bratwurst mitwirkt, zeichnet sich u.a. dadurch aus, eine offenere Publikumskultur
zu pflegen. Diskussionen, auch um "heikle" Themen, empfinden wir nicht als
Bedrohung, sondern als ein (kulturelles) Muß. Dabei ist uns die Kommunikation in alle
Richtungen wichtig. Die übliche Einbahnstraßenkommunikation (von der Bühne ins
Publikum), bei der das Publikum nur die Möglichkeit hat zu schweigen oder zu gehen, hat
bei uns nichts verloren.
Wir können an diesem Punkt nur wiederholen: Kulturarbeit war, ist und bleibt politisch!
"Das Laboratorium"/Atelier Bratwurst im Oktober 1997