prelude
früher, als ich noch klein war, ich konnte schon schwimmen, gab es einen klang.
ich weiß nicht, ob es ihn heute noch gibt. ich war schon länger nicht mehr schwimmen.
ich gehe kaum mehr unter. wenn, dann bewußt. dann tauche ich. früher, damals, nannte ich
es auch tauchen. immer dann, wenn ich unterging. das war schlimm. nicht nur weil ich unter
wasser schlecht atmen kann. hören tat ich auch nix. zumindest nicht diesen gong. wegen
dem tauchen kann ich heute nicht mehr sagen, ob er regelmäßig ertönte. aber bedeutend
war er. erst kam der gong, dann eine stimme, die etwas ansagte. und zumeist sagte sie, die
stimme, daß ich das schwimmbad jetzt zu verlassen habe. nicht direkt zu mir. sie sagte
nicht: sascha bitte geh jetzt. sie sagte vielleicht eine zeit an. damals war das schwimmen
zeitlich begrenzt. in jeder hinsicht. wie gesagt: entweder ging ich unter oder mußte
gehen. tauchte ich gerade, hörte ich die stimme nicht oder den gong. und ich hatte angst,
daß mich der bademeister mit dieser langen stange, an deren ende ein ring war, aus dem
wasser fischen würde. ich stellte mir dann immer vor, daß ich einfach nicht nach dem
ring greifen würde. auch wenn ich untergehe. bademeister waren für mich die, die den
gong erfunden haben. schon die tonfolge entsprach ihrem gemüt. so schien es mir. beng
bang bong booonnng. irgendwie so. der letzte ton war immer sehr langgezogen. diese
tonfolge habe ich hier in wiesbaden das erste mal gehört. sie hat sich in meinem tonalen
gedächtnis festgeschrieben. denke ich an wiesbaden, habe ich diesen klang im ohr. diese
zustandsbeschreibung. ich kann nicht genau sagen, um welche töne es sich handelt. ob ein
c dabei ist oder ein fis. es ist das gefühl. das gefühl, abtauchen zu müssen und nicht
zu dürfen. das gefühl, man müsse sofort regungslos sein (auch dann geht man unter).
ich war am meer und habe mich treiben lassen. wenn man geschickt ist, kann man sich
stundenlang treiben lassen und in den himmel schauen. sich den wellen hingeben und dem
stummen gerausche des meeres zuhören.
diese lebendigkeit vermisse ich immer wieder, wenn ich hier bin. schon nach kurzer zeit
hüllt mich dieses gefühl des gongs, des klangs von wiesbaden, ein und versucht mich zu
lähmen. dann stelle ich mir immer vor, wie schön es hier ist, wenn man älter ist und
sich als rentner mit den enten im kurpark unterhalten will. oder im kurhaus zu schöner
musik aus vergangenen tagen schwelgen will. wenn das leben ein langsamer gleicher fluß
ist.
Anweisung
Der "Gong" besteht aus vier einzelnen Tönen.
Dies erfordert vier "Abspielstationen", die so im Saal verteilt werden, daß
eine Person immer nur eine Station bedienen kann. Jede dieser vier Stationen spielt nur
einen Ton aus der Tonfolge.
Zu diesen vier Stationen möchte ich vier weitere Abspielgeräte an den Wänden im Saal
anbringen. Diese Stationen werden durch Bewegungen ausgelöst (Durchschreiten einer
Lichtschranke oder eines Bewegungsmelders). Auch diese vier Stationen spielen jeweils nur
einen Ton aus der Tonfolge.
Als neunte Station füge ich dem Raum eine weitere Station hinzu, die in regelmäßigen
Abständen die Tonfolge (also alle vier Töne) abspielt. Diese Station kann nicht
manipuliert werden.
Sascha Büttner im Herbst 1998