Josefine Kärcher
Eine klare Aussage bedarf keines klaren Titels
Eine Ausstellung zur Gefährdung von Räumen
Man wußte nicht, ist es die längste Vernissage oder die kürzeste Ausstellung? Diese
Verunsicherung des Rezipienten war Kalkül und zog sich wie ein roter Faden durch die
disparaten Erscheinungsformen von "Eine klare Aussage bedarf keines klaren
Titels". Dieses Projekt öffnete an einem Sonntagvormittag und schloß erst abends um
21.00 Uhr. Danach wurde die Ausstellung in Form einer Zeitung präsentiert, die am Eingang
der Ausstellungshalle angeschlagen war. Nur durch die Gitterstäbe der Eingangstür, die
den Zutritt zu den Ausstellungsräumen verwehrte, konnte man die ehemals präsentierte
Kunst erahnen. Aber auch die Zeitung "TriTraTrotz - Nachrichten für den
Untergrund" stellt eine "Vorausgabe" dar, ist unfertig und weist noch
Lücken auf, die erst in den nächsten Monaten gefüllt werden.
Die von Sascha Büttner zusammengestellte Ausstellung selbst weist ebenfalls Leerstellen
auf. Nur einige Bereiche der Ausstellungshalle wurden bespielt. Dazwischen nichts - was
für manchen Besucher, der gewöhnt ist, ordentlich mit Arbeiten gefüllte Räume
vorzufinden, eine echte Provokation darstellte. Doch spätestens seit Yves Klein steht der
leere Kunstraum gleichwertig dem mit Werken ausgestatteten Raum gegenüber. Ein nicht
gestalteter Ort kann eine genauso relevante Aussage bedeuten wie ein gestalteter. Um den
Begriff "Raum" geht es wesentlich in "Eine klare Aussage bedarf keines
klaren Titels". Das Verhältnis von Kunst, Raum, Geld und Markt wird untersucht:
Benötigen bestimmte aktuelle Kunstrichtungen (z.B. konzeptuelle Kunst) überhaupt noch
Räume? Wie verhält sich Raum und Marktwert als Immobilie im System der Kunst zueinander?
Die Kritikerin Karen Eliot präsentierte in einer Ecke ein ungewöhnliches
Ausstellungsprojekt, das in Berlin verwirklicht werden sollte, jedoch trotz zweijähriger
Planungszeit und weitreichender Reflexionen zum Ausstellungswesen mit den daran
beteiligten Künstlern nicht zustande kam. Einer Analyse des eigenen Produktionsverfahrens
sollte die gemeinschaftliche Analyse der Möglichkeiten eines aufeinander Bezug nehmenden
Ausstellungsprojekts folgen. Anstelle der Ausstellung entstand als Resultat dieser
Überlegungen eine Mappe mit vier Plakaten. Für das Südtiroler Künstlerpaar Zischg/Kolt
ist der Mensch ohne Raum der Asylant. Der Rest der ausgestellten Arbeiten lohnt keine
weiteren Worte. "Eine klare Aussage bedarf keines klaren Titels" zeigt einmal
mehr, daß es wichtiger ist, die richtigen Fragen zu stellen, als vorschnelle Antworten zu
liefern.